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Die Erdungsanlage im HS-Erdfehlerfall

Warum die Erdungsanlage als Teil der elektrischen Anlage recht stiefmütterlich betrachtet und behandelt wird, mag vielleicht daran liegen, dass sie größtenteils im Erdreich verschwindet und so beim Anlagenverantwortlichen nicht die tägliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ob vom Errichter als “Kupferbergwerk” ausgeführt oder nach sorgfältiger Dimensionierung und Berechnung optimal verlegt – im Falle eines elektrischen Erdfehlers innerhalb oder außerhalb der Anlage schlägt für die Erdungsanlage die Stunde Null.

Zunächst sollte man wissen, dass die Erdungsanlage einen Erdungswiderstand, wie jeder Einzelerder auch, besitzt. Je nach Größe der Anlage liegt dieser zwischen einigen Zehn Milliohm (Kraftwerke) und einigen Ohm (Masterdungsanlagen). Die Höhe des Erdungswiderstandes wird von der Geometrie des Erders und dem spezifischen Erdbodenwiderstand bestimmt. Das Erdermaterial selbst hat hierauf nahezu keinen Einfluss. Sind die ersten Kabel oder Freileitungen über ihre Schirme bzw. Erdseile angeschlossen, ist dieser Erdungswiderstand weniger interessant, da er nur noch als Teil der gesamten Erdungsimpedanz wirkt. Durch zum Beispiel Erdseile, Kabelmäntel bzw. -schirme, PE- bzw. PEN-Leiter oder Rohrleitungen existieren somit Verbindungen zu anderen Erdern, die die Gesamtimpedanz teilweise erheblich reduzieren. Da der Zustand der Erdungsanlage also immer nur im Betriebszustand interessant ist, wird für alle Betrachtungen (abgesehen vom Blitzschutz) auch immer nur die Erdungsimpedanz von Interesse sein. Ein Energieversorger profitiert bereits von der Tatsache, dass er neue Gebäude oder Gewerbegebiete in sein Versorgungsnetz integriert. Jeder neu angeschlossene Fundamenterder (z.B. über PEN-Leiter) eines Hauses stützt die Erdungsimpedanz seines Stationsnetzes. An den Erdungswiderstand eines einzelnen Stationserders stellt er daher Anforderungen, die in Abhängigkeit zur Netzgröße und dem Grad der Vermaschung stehen.

Der Zustand der Erdungsanlage bzw. die Höhe ihrer Erdungsimpedanz wird nun erst interessant, wenn ein Strom durch sie fließt. Im normalen Betriebsfall sind das lediglich Ausgleichsströme, wie sie beispielsweise durch kapazitive und induktive Kopplung von angeschlossenen Erd- und Leiterseilen hervorgerufen werden. Unter Umständen fließen natürlich auch Ströme fremder Anlagen, sofern sich die betrachtete Erdungsanlage in deren Einflussbereich befindet.

Was passiert aber nun im Falle eines Fehlers. Elektrische Fehler ohne Erdberührung können hier ausgeklammert werden, da der Kreis des Fehlerstromes nie über das Erdreich geschlossen wird. In die Erdungsanlage wird daher kein Strom ein- bzw. austreten und diese betreffend auch keinerlei Gefährdungen mit sich bringen. Bei Fehlern mit Erdberührung sieht das Ganze allerdings anders aus.

Ein Beispiel:
Ein Transformator des Umspannwerkes A speist auf eine Freileitung zum Umspannwerk B. Im Falle eines Erdschlusses (oder Erdkurzschlusses) auf der Freileitung kommt ein Fehlerstrom zum Fließen, dessen Höhe von der jeweiligen Sternpunktbehandlung des Netzes abhängt. Ungeachtet seiner Höhe wird er zum Sternpunkt des speisenden Transformators nach UW A zurückfließen. Sind auf der Freileitung Erdseile aufgelegt, fließt ein Teil dieses Stromes über diese und der andere Teil über das Erdreich zurück. Letztgenannter Stromanteil, der als Erdungsstrom bezeichnet wird, tritt auf seinem “Rückweg” in die Erdungsanlage des Umspannwerkes A ein. Da der Stromfluss durch die Erdungsimpedanz des Umspannwerkes eine Spannung hervorruft, hebt sich das Potenzial der Erdungsanlage an, was zur Folge hat, dass im Einflussbereich dieses Spannungstrichters an beliebigen Punkten in und um die Erdungsanlage Potenzialunterschiede (Spannungen) entstehen, die möglicherweise bei Überbrückung durch den menschlichen Körper unzulässig hoch sind. Ein Schritt in diesem Bereich (Fuß-Fuß) oder die Berührung eines geerdeten Metallgegenstandes (Hand-Fuß) kann so bereits zu einer Personengefährdung führen. Dieser Fehlerfall war nur ein Beispiel. Ein Fehler auf der Sammelschiene des UW A oder UW B hätte ebenso betrachtet werden können. Im Falle der elektrischen Prüfung der Erdungsanlage ist es die Aufgabe des Messverantwortlichen, gemeinsam mit dem Anlagenbetreiber alle möglichen Fehlerfälle zu betrachten und der Bewertung den worst case (ungünstigster Fall) zu Grunde zu legen.